Hallo Linda, hallo allerseits,
ein Wort zur Historie des Übersetzer-/Dolmetscherberufs: Abgesehen von von der Universität Heidelberg etc. war zuerst der staatl. gepr. Übersetzer (und Dolmetscher) mit seinen bundeseinheitlichen, hohen fachlichen Forderungen da (Kultusministerkonferenz 1954). Viel später hat man dann die Staatlichen Höheren Fachschulen für Dolmetscher und Übersetzer (z.B. Köln) zu Fachhochschulen aufgemopst, die früheren Absolventen (in zwei Fremdsprachen!) nachgraduiert und wieder ein paar Jahre später ein wenig akademisch-theoretischen Schnick-Schnack hinzugefügt und den Titel "Diplomübersetzer FH" verliehen. Die Prüfungsanforderungen, also die übersetzerischen Kernfächer, blieben weitestgehend unverändert. Die im Diplomstudium angebotenen Wahlpflichtfächer BWL, Recht, Marketingsmanagement etc. leiden - von der Uni Hildesheim einmal abgesehen - an entsetzlicher Praxisarmut bzw. theoretischer Überblähung. Die FHs und auch die Unis erdreisten sich sogar, die eminent wichtige fremdsprachliche Wirtschaftskorrespondenz zu bloßen Seminarscheinen abzuwerten, die man zwischendurch irgendwie einschiebt. Diplomüberetzer mussten wir früher im Export mühsam nachschulen, bis sie endlich - nach ca. 2 Jahren - einsatzfähig waren, bis ie letzten Spuren ihrer hoffnungslosen Theorielastigkeit endlich getilgt waren. Die nachträglichen Kommentare dieser Personen über ihr Studium, nachdem ihnen die Augen praxisbrutal geöffnet worden waren, sind nicht druckreif.
Um es gleich vorwegzunehmen: Als wissenschaftl. Mitarbeiter an ausländischen Universitäten bin ich naturgemäß nicht theoriefern eingestellt und im Übrigen für wissenschaftliche, pädagogische, publizistische und lexikographische Verdienste und Leistungen mehrfach ausgezeichnet worden, u.a. auch mit dem nur selten verliehenen akademischen Ehrentitel "Senator E.h." der Staatl. Fachhochschule Nürtingen, die laut Universitätsranking die drittbeste FH der Republik für praxisnahe Ausbildung ist. Eventuelle Kritiker können mir also keine Theoriefeindlichkeit vorwerfen. Mit der Theorie gehe ich genauso virtuos um wie mit der Praxis. Nachdem das Geld aber meist in der Praxis verdient wird und ich auch über sehr viele Jahre Praxiserfahrung verfüge, vermag ich die Unterschiede im Gegensatz zu den einäugigen Monos durchaus richtig einzuschätzen und bezeichne mich auch mit ein wenig Stolz als Mann der Praxis.
Für eine leitende Funktion im Export ist ein reiner Diplomübersetzer denkbar ungeeignet! Da ist ihm in der Regel jeder "Fremdsprachenkaufmann IHK" oder "Fachkaufmann Außenwirtschaft IHK" haushoch überlegen. Ein staatl. gepr. Übersetzer mit derartigen Zusatzqualifikationen steckt jeden Akademiker in die Tasche. Darüber sprechen wir im Seminar am 27.09.2003 in Esslingen bei Stuttgart ausführlich, garniert mit Erfahrungen und Tipps aus der industriellen Praxis. Nur-Übersetzer sind, ich sage es ganz offen, wenig angesehen. Der heute benötigte Fremdsprachlertyp benötigt weitergehende Qualifikationen, um sich auf dem schwierigen globalen Markt durchzusetzen.
Auf Ihre Frage: Nein, ohne meine kaufmännischen Qualifikationen wäre ich als Übersetzer und Dolmetscher (wie auch als Uni-Lektor + Lehrbeauftragter - inzwischen 50:50) bei weitem nicht so erfolgreich, denn erst die Kombination gibt "das Salz an die Suppe". Als Ergänzung werden Sprachkenntnisse akzeptiert, aber ein solides kaufmännisches bzw. betriebswirtschaftliches Studium wird eindeutig (!) höher eingeschätzt. Erst dann gewinnen die Fremdsprachenkenntnisse zusätzlich an Wert.
Was das alles an Schweiß und Verzicht gekostet hat, kann man sich leicht vorstellen, aber der Erfolg hat alles gekrönt.
Was ich von den Erfolgsaussichten des Übersetzerberufes halte? Das lesen Sie am besten unter
www.fernstudenten.de in der Rubrik "Fremdsprachen" und dort unter "Übersetzer - lohnt sich dieser Beruf überhaupt? nach (Antwort auf Sabrinas Fragen, Beitrag Nr. 2).
Wie man die Risiken abfedert, darüber sprechen wir im Seminar!
Herzliche Grüße
Reinold Skrabal