Terrorwarnung - wie geht ihr damit um?

...hier stehen alle die Themen, die in den anderen Foren offtopic sind. :-)
Toby66
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Hallo zusammen,

vorweg erstmal: ich persönlich war am Samstag in Hamburg und ich hatte am Hauptbahnhof ein etwas komisches Gefühl und auch auf dem Gedrängel auf dem Weihnachtsmarkt am Hamburger Rathaus hatte ich mich gefragt, ob das eine richtig gute Idee war. Die mit Maschinengewehren ausstaffierten Polizisten am Hauptbahnhof haben mich auch nicht wirklich nennenswert beruhigt (ich vermute, die waren nicht wegen der Fußballfans Hamburg/Stuttgart da).

Das Problem bei "Angst" ist grundsätzlich: es ist eine Emotion, d.h. das ist nicht gerade zwingend eine rationale Sache. Ich habe mich mal relativ intensiv mit den Themen "Zahnarztangst" (eigene Erfahrung) und "Flugangst" (zumindest bin ich da "tangiert") beschäftigt. Meine Zahnarztangst fing damals bereits mit der Betäubungsspritze an. Nun ist das so eine winzige Nadel, daß man da - nüchtern betrachtet - keine Angst haben muß. Wovor auch? Schmerzt das? NEIN! Wird man krank davon? NEIN! Hat es irgendwelche anderen negativen Auswirkungen - außer daß es ca. 15 € kostet (die die Krankenversicherung netterweise bezahlt)? NEIN! Wovor hat man da also Angst? Es ist ja sogar so, daß man nach einer Zahnarztbehandlung normalerweise insgesamt weniger Schmerzen hat. Es ist also völlig unlogisch und irrational, davor Angst zu haben. Zahnarztangst ist aber sehr stark verbreitet. Und den betroffenen helfen rationale Argumente da wenig bis gar nicht.

Das ist mit Angst vor Bombenanschlägen ähnlich. Die Leute verhalten sich ja auch irrational. Das war nach den Anschlägen auf die TwinTowers ähnlich - hinterher fuhren die Leute aus Angst vor Terror in den USA mehr Auto ... und es gab einen höheren Zuwachs an Verkehrstoten als es Opfer bei Flugzeugunglücken insgesamt gab. Trotzdem ist die Reaktion letztlich menschlich.

Wenn jemand unter dieser irrationalen Angst leidet - nochmal Beispiel Flugangst - wird er kaum dazu zu bringen sein, mit Vergnügen Flugzeuge zu benutzen - so schön die Aussicht und der Luxus auch sei. Aber er wird lernen können, mit der Angst umzugehen.

Im Prinzip geht es auch mit der Angst vor Terroranschlägen nicht anders: die Angst bekommt man mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht weg - und das ist auch sinnvoll, sonst würde man sich ja, wenn man völlig angstfrei wäre, trotz Warnungen in die unmöglichsten Situationen bringen. Man kann sich aber versuchen, bewußt zu machen, daß es auch andere gefährliche Dinge gibt und abwägen, wieviel Nutzen einem das Eingehen eines Risikos bringt. Das kann man auch lernen, es gibt Techniken (von Meditation über Hypnose und - für schlimmere Fälle - Psychotherapie), die da helfen, aber der Betroffene muß selber aktiv daran arbeiten. Nur das Ziel "angstfrei" sollte man sich abschminken.

Und: soweit ich gelernt habe - auch da komme ich wieder auf das Beispiel Flugangst zurück, weil es darüber viel mehr Untersuchungen gibt - gibt es ca. 2/3 Leute mit mehr oder weniger ausgeprägter Flugangst (das beinhaltet also auch die, die mit ihrer Angst aber gut umgehen können). Weshalb man sich mit Flugangst immer so erbärmlich vorkommt ist: die meisten geben es nur dann zu, wenn sie anonym befragt werden. So ähnlich verhält es sich sicherlich auch mit Terrorangst. Angst zu haben wirkt scheinbar eben etwas "lächerlich".

Weshalb die Leute in Israel da scheinbar gelassener mit umgehen: a) ich bin mir gar nicht so sicher, ob das wirklich so ist (kenne aber keine Untersuchungen darüber) und b) durch Gewohnheit stumpft man auch ab, selbst bei so fürchterlichen Dingen wie Anschlägen.

Viele Grüße
Thomas
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BWL_Erik
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Hallo Toby66,

sicherlich hast Du Recht bezüglich "Angst" im generellen Zusammenhang. Allerdings sehe ich hier noch eine extremere Ausprägung, die ich persönlich mit unseren
Medien und Politikern in Zusammenhang bringe. Seit dem 11.September wird keiner Bevölkerung auf der Welt (zumindest meine Erfahrung mit internationalen Kontakten und Geschäftsreisen) so viel Angst eingejagt wie in Deutschland. Ich hatte bereits Beispiele genannt über Städte in denen es bereits reale Anschläge gab. Versucht bitte mal rauszufinden wieviel darüber noch in der Bevölkerung, Medien, Regierungen gesprochen wird. Oder ist es mittlerweile so, dass kein Spanier in einen Zug steigt oder keine Menschen sich auf dem Taksim-Platz in Istanbul aufhalten? In Deutschland haben unsere Sicherheitskräfte offensichtlich Anschläge vereitelt, was uns nicht überraschen sollte. Deshalb unterhalten wir mit Steuergeldern Sicherheitskräfte. Seit 10 Jahren bekommen wir nahezu jeden Tag verdeutlicht, dass es bald zu Ende sein könnte.

Bitte nicht falsch verstehen, natürlich mache ich mir auch darüber Gedanken aber ich mache mich nicht verrückt.
To do: Nichts mehr.
stolzer Dipl.-Kaufmann (FH)
Toby66
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@BWL-Erik: Du hast schon Recht, was ich zu bedenken geben wollte, war ja nur: wenn man sich einmal von so einer Angst anstecken läßt, wird es sehr schwer, mit rationalen Argumenten wieder herauszukommen.

Ein Weg, der manchmal (oft?) hilft, ist, sich bewußt zu machen, daß man da ja eine Abwägung vornimmt: wodurch gewinne ich mehr Lebensqualität? Durch den Besuch eines Weihnachtsmarktes oder durch das Vermeiden des Besuches und den Gewinn von (vermeintlicher?) Sicherheit.

Solche Abwägungen nimmt man ja - mehr oder minder angstgesteuert - dauernd vor, ist sich dessen aber nicht bewußt. Beispiel ist auch: trinke ich ein Glas Rotwein zum Essen und habe eine diffuse Restangst vor Krebs - oder verzichte ich lieber auf den Genuß und habe etwas mehr Sicherheit (vermeintlich?), eben keine gesundheitlichen Folgen des Genusses zu haben. Ich persönlich bin der Meinung (u.a. auch durch Erfahrungen im Bekanntenkreis), daß man, wenn man da zu sehr angstgesteuert vorgeht und immer mehr Genuß aus Angst vor Erkrankungen sich selber versagt, irgendwann vor Frust krank wird, daß man allerlei leckere Sachen nicht essen und trinken darf.

Mit der Panikmache durch manche Medien hast Du sicher auch Recht, da spielt sicher auch eine Rolle, daß man Gefahren weniger nach dem echten Risiko einschätzt, sondern eher danach, wie präsent sie sind. Ist sicher auch ein bißchen so wie mit den Kokosnüssen: soweit mir bekannt, ist das Risiko, von einer Kokosnuß erschlagen zu werden, ungefähr 50 mal so groß wie Opfer einer Hai-Attacke zu werden. Trotzdem haben die Touristen am Strand Angst vor Haien, aber keinesfalls vor herabfallenden Kokosnüssen.

Alles in allem: Angst und Terrorismusgefahr sind schon auch sehr komplexe Themen - einfach ist da leider gar nichts.

Viele Grüße
Thomas
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