hier mein Kurzbericht über den Verlauf meiner mündlichen Übersetzerprüfung. Nach der Vorstellung der drei Prüfer (2 Deutsche, 1 Muttersprachler) ging es sofort an die beiden Stegreifübersetzungen. Zuerst Englisch - Deutsch: "The language of Goethe and Schiller, then of Hitler, German is hip again" - ein Text zur Bedeutung der deutschen Sprache aus dem Economist vom 05.09.15. Dann Deutsch - Englisch: ein Text über die Auswirkungen der nachlassenden Nachfrage aus China auf die Rohstoffproduzenten Australien und Kanada, dessen Titel mir leider entfallen ist. Anschließend wurde ich vor die Tür geschickt, man beriet sich kurz und es ging weiter mit Fragen, zunächst zur Wirtschaft auf Englisch. Hier nahm der Prüfer Bezug auf den Australien- und Kanadatext, den ich zuvor übersetzt hatte und ich sollte die Entwicklung der chinesischen Wirtschaft in den letzten 10 - 20 Jahren skizzieren. Es kam eine Frage zu den BRIC-Staaten und deren Entwicklung, wobei wir uns im Laufe des Gesprächs auf Indien als Nr. 2 fokussierten (Stichwort: Green Card in Deutschland) etc. Im deutschen Teil der Prüfung wurde mir nur ein Stichwort genannt: "VW", also der aktuelle Skandal und seine voraussichtlichen Auswirkungen auf den Automobilmarkt in Deutschland und weltweit.
Im landeskundlichen Teil des Gesprächs auf Englisch ging es um die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen in den USA, wobei mich der Prüfer mit der Frage, ob Obama wohl eine 3. Amtszeit antreten wolle, ein wenig "aufs Glatteis" führen wollte... Es wurden tatsächlich die "Checks and Balances" abgefragt, lohnte sich also, diese auswendig zu wissen. Zu Großbritannien gab man mir das Stichwort "Commonwealth": ich sprach dann über die Mitglieder, das Oberhaupt, den Hintergrund des Empire und es wurde nachgefragt, warum wohl die USA nicht dabei seien, was uns zum Unabhängigkeitskrieg führte.
Im deutschen Teil der Prüfung gab es wieder nur ein Stichwort: "Flüchtlinge" - hier sprach ich über die aktuelle Situation, wurde dann aber gebeten, historische Flüchtlingsbewegungen nachzuzeichnen, d.h. Flüchtlinge in die USA aus religiösen Gründen, nach gescheiterten Revolutionen, während des 2. Weltkriegs. Hier hakte dann die deutsche Prüferin mit dem Stichwort "Heimatvertriebene" ein, worauf ich den Begriff erklärte und die Bedeutung der Heimatvertriebenen im Nachkriegsdeutschland kurz skizzierte und einen Bogen zur aktuellen Flüchtlingsdiskussion schlug.
Dann waren gut eineinviertel Stunden vorbei, ich wurde wieder vor die Tür geschickt, man beriet sich und rief mich wieder herein, um mir herzlich zur bestandenen Prüfung zu gratulieren.
Alles in allem eine sehr anspruchsvolle Prüfung, in die ich viel Vorbereitungszeit gesteckt habe. Ein hoher Anteil an aktuellen Fragen - ich war sehr froh, dass ich während der gesamten Studienzeit den Economist abonniert hatte und jede Woche zumindest ein paar Artikel gelesen hatte. Ich hatte zwar direkt keinen der Artikel gelesen, die in der schriftlichen und mündlichen Prüfung dran waren (das wäre ja auch zu schön gewesen!

Ich bedanke mich bei der AKAD und allen Dozentinnen und Dozenten herzlich für die guten Materialien und vor allem für die gewinnbringenden Präsenzseminare! Ich konnte von jedem einzelnen Seminar viel mitnehmen, egal was hier und in anderen Foren oft geschimpft wird.
Ich habe das Studium im Oktober 2012 begonnen, das heißt, ich kam noch in den Genuss eines 4-tägigen Seminars ENC21. DGL01, DLK01, EVW01, EUE03 und EPV06 waren noch 2-tägig und EDS01 5-tägig. Die Online-Seminare sind an mir vorüber gegangen, ich habe also auch keinen Vergleich.
Meine Strategie war von Anfang an wie folgt: zuerst habe ich alle AKAD-Hefte gründlich durchgearbeitet, alle Einsendeaufgaben bearbeitet, dann das Präsenzseminar besucht und die Klausur geschrieben. Nebenbei, wie oben gesagt, den Economist gelesen und zu historischen Themen auch mal englische Dokumentationen auf Youtube gesucht und gefunden. Für EVW01 haben mir die Zusammenfassungen hier von den "Fernstudenten" viel geholfen. Zur Vorbereitung auf die Klausuren waren auch die geposteten Links zu früheren Übersetzungsklausurtexten hilfreich. Was mir gar nicht geholfen hat, waren diese unkorrigierten Übersetzungen von Kommilitonen - sorry, da habe ich mehr Fehler drin gefunden als dass ich davon hätte profitieren können. Als Student ist man halt noch kein fertiger Übersetzer und deswegen gehören solche Texte (besonders wenn vom Deutschen ins Englische übersetzt wird) von Muttersprachlern bzw. Berufserfahrenen gegengelesen, sonst ist es so, als würde der Blinde den Blinden führen.
Allen denjenigen, die sich auf zukünftige Staatsprüfungen für Übersetzer vorbereiten, wünsche ich viel Glück und Erfolg und den langen Atem, der nötig ist, um bis zum Ende durchzuhalten! Macht es gut!