Viele von euch sind wahrscheinlich noch nicht so weit, aber auch ihr werdet einmal an einem Punkt anlangen, an dem ihr AKAD hinter euch habt und euch fragt: War das jetzt alles?
So ging es mir, nachdem ich die staatliche Prüfung vor dem Oberschulamt Karlsruhe in der Tasche hatte. Und nun gibt es auf die Frage oben eine Antwort: Nein, das war nicht alles. Es gibt ein Leben nach AKAD und nach der staatlichen Prüfung. Zumindest für die, die dann noch nicht genug und den Kanal voll haben.

Im letzten Jahr erfuhr ich von dem uns allen bekannten Herrn Senator Skrabal, dass an der Fakultät III der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen-Geislingen (HfWU) in enger Zusammenarbeit mit dem BDÜ eine neue (Externen-) Prüfung eingeführt wird, die zum Titel "Hochschulgeprüfte(r) Fachübersetzer(in)" führen soll. Ich meldete mich sofort an! Meine Fachgebiete waren Wirtschaft und Recht, wobei Wirtschaft für alle Prüflinge verbindlich war und ich für mich das Fachgebiet Recht als zweites Prüfungsfach gewählt hatte. Für alle schriftlichen Prüfungsteile waren allgemeine und Fachwörterbücher nach eigener Wahl zugelassen: eine sehr praxisgerechte Regelung! Bereits im Vorfeld hatte ich das "Fachzertifikat Deutsche Gerichts- und Behördenterminologie" erlangt, das von Prof. Dr. jur. Weber, Studiengangleiter "Wirtschaftsrecht" an der HfWU, unterzeichnet wurde.
Der schriftliche Teil der Prüfung fand am 13./14. Februar 2006 in den Räumen der Hochschule in Geislingen statt. Er setzte sich aus insgesamt sechs Teilen mit folgendem Ablauf zusammen (eine "geballte Ladung"!

Montag, 13.02.06
09.00-10.40 Allgemeinsprachliche Übersetzung Fremdsprache-Deutsch
11.00-12.40 Allgemeinsprachliche Übersetzung Deutsch-Fremdsprache
Mittagspause
14.00-15.40 Übersetzung "Wirtschaft" Fremdsprache-Deutsch
16.00-17.40 Übersetzung "Wirtschaft" Deutsch-Fremdsprache
Dienstag, 14.02.06
09.00-10.40 Übersetzung "Recht" Fremdsprache-Deutsch
11.00-12.40 Übersetzung "Recht" Deutsch-Fremdsprache
Da es sich bei dieser Prüfung um den ersten Durchgang überhaupt handelte, waren wir insgesamt nur drei Kandidaten (2x Englisch, 1x Französisch), was durchaus angenehm war.

Aus diesem Grunde dauerten dann auch die Korrekturen nicht lange; bereits nach zwei Wochen wusste ich, dass ich den schriftlichen Teil bestanden hatte, und wenig später wurde mir die Einladung zum mündlichen Teil der Prüfung zugeschickt, der gestern stattfand.
Kein Vergleich zu Karlsruhe, wo sich die Prüfer von Mai bis September mit der Korrektur Zeit lassen konnten!!

Die Prüfung beschränkt sich auf die harten translatorischen Kernkompetenzen; Fächer wie "Aufsatz" und "Landeskunde" kamen nicht mehr dran, da diese Fächer bereits in der nachzuweisenden Vorbildung geprüft wurden. Inzwischen hörte ich, dass auf Grund der enorm gestiegenen Anforderungen der IHK-Übersetzerprüfung auch deren Absolventen zur externen HfWU-Hochschulprüfung zugelassen werden sollen!
Im mündlichen Teil wurden dann Stegreifübersetzungen aus dem Deutschen in die Fremdsprache und umgekehrt verlangt. Zwischen den beiden Teilen wurden wir jeweils nach draußen geschickt, während sich die Prüfer an die Bewertung machten. Insgesamt dauerte der mündliche Teil der Prüfung ca. 40 Minuten, einschließlich Notenbesprechung.
Als Fachgebiete für die Stegreifübersetzungen sah ich mich zweimal mit "Recht" konfrontiert; auch hier waren die Texte keineswegs harmlos; "The devil is in the detail", wie es so schön heißt! Nichtsdestotrotz hat sich niemand das Genick gebrochen, alle Kandidaten haben die Prüfung erfolgreich bestanden.
Sowohl für die sechs schriftlichen als auch für die zwei mündlichen Teile wurden als Prüfer/Korrektoren hoch qualifizierte Fachkräfte (Muttersprachler!, Lehrbeauftragte) eingesetzt, die selbst über Hochschulabschlüsse sowie jahrelange Erfahrung verfügen.
Fazit:
Wie ich es schon in einem anderen Beitrag erwähnte, handelte es sich um eine überaus anspruchsvolle Prüfung, die man keineswegs mal eben aus dem Ärmel schütteln kann, sondern die den Kandidaten sehr viel abverlangt. Bereits die allgemeinsprachlichen Texte waren in punkto Schwierigkeit "sehr ordentlich", bei den zu übersetzenden Texten aus den und in die jeweils gewählten Fachgebiete steigerte sich das Ganze dann entsprechend.
Würde man mich noch einmal vor die Wahl stellen, so würde ich mich jederzeit wieder für diese Prüfung entscheiden, auch wenn es - besonders im Vorlauf zur mündlichen Prüfung - doch sehr anstrengend war und keiner der zu übersetzenden Texte ein Pappenstiel war.
Es müsste zwar nicht unbedingt sofort sein


Also, für alle von euch, die sich fragen, ob das mit der Staatsprüfung wirklich schon alles war, so wie ich mir diese Frage auch gestellt habe, würde sich in Form dieser Prüfung eine Antwort finden! Sie ist hart, aber auf alle Fälle empfehlenswert! Schon allein die Tatsache, dass sie vom Bundesverband der Übersetzer und Dolmetscher außerordentlich unterstützt wird und hier erstmals eine direkte Brücke zu einem akademischen Abschluss gebaut wird, spricht Bände.
An dieser Stelle möchte ich mich auch noch herzlich bei Herrn Senator Skrabal bedanken, ohne dessen Einsatz es diese Prüfung überhaupt nicht geben würde und der die Prüflinge immer wieder motiviert und aufgebaut hat, wenn es mal nicht weitergehen wollte. Ich kann es nur immer wiederholen: Es ist nicht selbstverständlich, dass jemand sich so sehr für andere einsetzt, und genau das ist es, was das Ganze mit zu etwas Besonderem macht, nicht zuletzt auch durch die feierliche Überreichung der Prüfungsurkunde im Rahmen einer eindrucksvollen Festveranstaltung an der Hochschule in Anwesenheit des gesamten Lehrkörpers der Fakultät und vielen Gästen, das war die absolute Krönung.
Viele Grüße
Judith
(nunmehr stolze „staatl. und hochschulgeprüfte Fachübersetzerin (HfWU) Englisch, Fachrichtung Wirtschaft und Recht (Staatl. Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen“)
