Seite 1 von 1

Staatl. oder akadem. Ü-Prüfung im Selbststudium?

Verfasst: 28.12.05 06:08
von Reinold Skrabal
Staatl. oder akademische Ü-Prüfung im Selbststudium?

Hallo allerseits,

wer „dubiosen Weiterbildungsangeboten auf dem Markt“ entgehen will, kann sich – wie Anja richtig schreibt – auch selbst auf die staatliche Übersetzerprüfung vorbereiten. Der ZFU-Zulassung unterliegen nur Fernlehrgänge, nicht aber alle anderen Formen der Ausbildung einschließlich Selbststudium. Dass man bei der Wahl der Ausbildung vorsichtig sein muss, liegt auf der Hand.

Ich kenne Ingenieure, Ärzte, Juristen, Betriebswirte, Geistes- und Naturwissenschaftler, die die Ü-Prüfung nach privater Vorbereitung extern absolvierten, auch AKAD-Absolventen, die die Prüfung in einer z w e i t e n Sprache (aus Kostengründen) im Selbststudium schulterten.

Unabdingbare Voraussetzung dafür ist eine mehrjährige translatorische Erfahrung sowie die Beherrschung der Übersetzungstechnik, die man sich mit einiger Übung und entsprechender Begabung selbst beibringen kann. In der Frühzeit des Übersetzens gab es ja auch keine Lehrgänge und die Translatik gelangte ja schließlich nicht erst im letzten Jahrhundert zur Blüte.

Ein Beispiel aus der Praxis: Eine mir bekannte Dame und deutsche Kollegin, Mitte 30, M.A.-Abschluss in Amerikanistik und Romanistik an der LMU in München, Masterabschluss USA, langjährige Ü-Praxis und Lehrerfahrung, wird sich Mitte 2006 der staatlichen Ü-Prüfung in Englisch in Bayern (!) unterziehen und danach an der HfWU die externe (!) akademische Aufbauprüfung zur „hochschulgeprüften Fachübersetzerin (HfWU)“ mit zwei Fachgebieten absolvieren. Der entscheidende Punkt ihrer Vorbildung ist dabei die mehrjährige Übersetzungspraxis in so anspruchsvollen Fachgebieten wie Medizin, Biochemie und Pharmakologie sowie Patentrecht, die an der HfWU selbstverständlich als Zweitsachfach gewählt werden können (wie auch Technik, Recht, Politik, Sozialpolitik und Geisteswissenschaften).

Ich habe ja selbst – und ebenfalls nach langjähriger Erfahrung - zwei staatliche und zwei akademische Ü-Prüfungen extern (und ohne Ausbildung) berufsbegleitend und in den Fachrichtungen Wirtschaft und Recht absolviert und außer den jeweiligen Prüfungsgebühren keinen Cent bezahlt, von nicht gerade billiger Fachliteratur mal abgesehen, aber die muss sich ja jeder ohnehin anschaffen.

Wichtig ist dabei, dass jeder seine ganz persönlichen Wünsche und Vorstellungen realisieren kann, um eine Grundlage für den banalen, aber leider notwendigen Broterwerb zu schaffen.

Liegt dagegen keine mehrjährige Ü-Erfahrung vor, ist die bewährte AKAD-Übersetzerausbildung im Fernunterricht unbedingt (!) anzuraten, die allerdings nur in den Sprachen E, F und S in einem leider äußerst begrenzten Sachfachbereich möglich ist.

Ob nun gelenkte oder selbstbestimmte Prüfungsvorbereitung: Die Mengen an Schweiß und Opfer an Zeit fallen in jedem Fall an.

Viele Grüße und allen ein erfolgreiches, gesundes neues Jahr!
Reinold Skrabal
Lehrbeauftragter Deutsch, BWL und Außenwirtschaft (Uni)

Verfasst: 02.01.06 15:05
von Anglophil
Vielen Dank für Ihre Aisführungen, sehr interressant !

Ich dachte immer, man muss als Prüfungszulassungsvoraussetzung irgendeine Art Schule besucht haben....

Meine Frage wäre bezogen auf die von Ihnen erwähnten Übersetzungstechniken - gibt es dazu Literatur und könnten Sie diese evtl. angeben ?

Ich habe Anglistik und Germanistik studiert, aber im Hauptstudium abgebrochen, und möchte jetzt aber meine perfekten Englischkenntnisse beruflich nutzbar machen.
Ein Selbststudium reizt mich daher sehr !

Selbststudium

Verfasst: 04.01.06 13:50
von Reinold Skrabal
Hallo Anglophil,

der Schulbesuch ist natürlich kein absolutes MUSS, es ist aber zumindest ein gleichwertiger Kenntnisstand durch mehrjährige Praxis nachzuweisen.

Diesbezüglich darf ich Sie auf die Voraussetzungen hierfür verweisen, die Sie bestimmt interessieren dürften. Lesen Sie bitte die Ausführungen zur berufsqualifizierenden Ausbildung als Übersetzer und zur „Gleichwertigkeit einer beruflichen Tätigkeit“ auf der Website www.oberschulamt-karlsruhe.de .

Liegt – wie beim Selbstlerner – keine berufsqualifizierende Ü-Ausbildung vor, muss die berufliche Tätigkeit im translatorischen Bereich einer mindestens dreijährigen hauptberuflichen Tätigkeit als Übersetzer im Angestelltenverhältnis oder als Freiberufler oder einer mindestens sechsjährigen beruflichen Nebentätigkeit als Übersetzer entsprechen.

Dem Merkblatt können Sie ferner entnehmen, welche Vor-, Teil- und Hauptprüfungen an Hochschulen etc. in anverwandten sprachlichen Fächern als berufsqualifizierende Ausbildung anerkannt werden und welche nicht.

Über Literatur zur Übersetzungstechnik finden Sie im Forum Fremdsprachen etliche interessante Tipps, ansonsten unter Google. In dieser Hinsicht muss ich leider passen, weil ich mir die Ü-Technik und das Dolmetschen damals in einem Großbetrieb mit 80 % Exportanteil (Automobilzulieferbereich) durch learning by doing selbst beigebracht habe, was natürlich längere Zeit dauerte. Diese hoch interessante und gut bezahlte Tätigkeit hätte ich um nichts in der Welt mit einem Präsenzstudium an einer Fach- oder Hochschule vertauscht, auch weil die Praxis der beste Lehrmeister ist und ich kein Freund von Lehrkräften bin, die nicht mindestens 10 Jahre in der freien Wirtschaft (und nur dort!) einschlägig tätig waren. Wer mit der Praxis in intensivster Form vertraut ist, kann mit dem theorieverliebten und meist praxisfernen Gelaber von den Kathedern nicht mehr viel anfangen. Eigentlich schade, dass nicht mehr – pädagogisch begabte bzw. geschulte - Praktiker in die Lehre gehen! Die Studierenden finden das faszinierend und die Ergebnisse widerspiegeln sich schwarz auf weiß in den studentischen Lehrveranstaltungsbewertungen zur Sicherung der Lehrqualität.

Viele Grüße
Reinold Skrabal

Verfasst: 14.01.06 23:59
von Nicole2006
Hi anglophil,

Aus meiner persoenlichen Erfahrung kann ich dir folgendes berichten: Ich hatte mein Amerikanistikstudium wie du im Hauptstudium abgebrochen. Danach habe ich ein Masters Degree in Linguistics an einer englischen Uni gemacht und mich dann ohne Praxiserfahrung in Bayern zur staatlichen Uebersetzerpruefung als externe Kandidatin angemeldet. Ich wurde problemlos (zu meiner Ueberraschung) akzeptiert und habe die Pruefung auch mit gutem Notendurchschnitt bestanden.

Vorbereitet hatte ich mich ehrlich gestanden nur mit der Uebersetzung der 4 kurzen Pruefungstexte aus den vergangenen 2 Jahren. Sonst hatte ich nichts zur Vorbereitung getan, und ich fand die Pruefung nicht extrem schwer, sondern mit guten Englischkenntnissen ohne grosse Vorbereitung durchaus machbar.

Den einzigen schweren Abschnitt fand ich die 'fachsprachlichen Erlauterungen' in der muendlichen Pruefung, wo ich dir unbedingt zur Vorbereitung raten wuerde.

Viel Erfolg,

Nicole :)

Literatur Übersetzungstechnik Englisch

Verfasst: 23.01.06 14:51
von Andreas Ulonska
Hallo,

folgende Bücher kann ich zur Übersetzungstechnik empfehlen:

Wolf Friedrich, "Technik des Übersetzens", ISBN 3-19-002143-0
Richard Humphrey "Gundkurs Fachübersetzen" ISBN 3-12-939632-2

Natürlich kann man sich auch von der EU oder von großen Wirtschaftsunternehmen seitenweise Gesetzestexte, Geschäftsberichte usw. in den gewünschten Sprachen herunterladen und damit systematisch üben.

Herzlichen Glückwunsch an Nicole für diese herausragende Leistung! Es sei jedoch zur Vorsicht gemahnt - das dürfte eher die Ausnahme denn die Regel sein. Wie hier im Forum schon so oft angeklungen ist: Die Durchfallquoten sprechen Bände!

Viele Grüße

Andreas

Verfasst: 23.01.06 20:15
von Gast
Hallo Andreas,

sind die von Dir genannten Bücher auf das Englische bezogen oder sprachunabhängig?

Danke
Elke

Verfasst: 24.01.06 10:03
von Andreas Ulonska
Hallo Elke,

beide Bücher beziehen sich auf das Englische. Besonders das erstgenannte setzt sich sehr schön mit den "klassischen" Hürden wie der Übersetzung von Partizipialverkürzungen, Infinitiven und dem Gerund auseinander.

Viele Grüße

Andreas

Verfasst: 25.01.06 19:42
von Gast
Hallo Andreas,

danke; dann nutzt mir das leider nicht.

Grüße
Elke

Verfasst: 25.01.06 19:43
von Gast
Hallo Andreas,

danke; dann nutzt mir das leider nicht.

Grüße
Elke