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vereidigter Übersetzer?

Verfasst: 02.08.05 12:44
von sissi
Hallo,
ich erwäge die Ausbildung über die AKAD zum staatl. geprüften Übersetzer. Langfristig möchte ich mich gerne vereinigen lassen. Wie genau geht das vonstatten? Muss man noch Lehrgänge besuchen und Prüfungen schreiben? Wer vereidigt einen? Was heißt genau bestellt und vereidigt?
Sollte man bei diesen Plänen das Fachgebiet Recht auch noch beherrschen?
Vielen Dank für Eure Hilfe
Sissi

Verfasst: 02.08.05 13:11
von -Christian-
Hallo Sissi,

wenn du die staatliche Übersetzerprüfung bestanden hast, kannst du dich von deinem zuständigen Landgericht vereidigen lassen. Wie das genau abläuft, lässt sich so nicht sagen, da das Prozedere vom Antrag auf Beeidigung bis hin zur Aushändigung der Beeidigungsurkunde von Land(gericht) zu Land(gericht) unterschiedlich gehandhabt wird.

Nur ein Beispiel:
Berlin: Hier wirst du automatisch nach bestandener Ü-Prüfung nicht nur als Übersetzer beeidigt, sondern auch als Dolmetscher. Das mag damit zusammenhängen, dass Berlin nicht die Möglichkeit besteht, eine staatliche Dolmetscherprüfung abzulegen. Deinem Antrag auf Beeidigung wird in Berlin allerdings nur dann entsprochen, wenn du auch in Berlin wohnst.

Wieder anders ist es in Bayern: Hier unterscheidet man zwischen Übersetzer und Dolmetscher. Wenn du also die staatl. Ü-Prüfung bestanden hast, kannst du dich in Bayern als Übersetzer, nicht jedoch als Dolmetscher beeidigen lassen. Dein Wohnsitz spielt hier übrigens keine Rolle. Ich habe selbst vor ein paar Tagen beim Landgericht München I einen Antrag auf Beeidigung als Übersetzer gestellt.

Nein, du musst m. W. keine zusätzlichen Prüfungen schreiben. Hamburg bildet hier eine Ausnahme, weiß ich aber nicht genau.

Um herauszufinden, welche Unterlagen du deinem Antrag beifügen musst, solltest du dich mit dem entsprechenden Landgericht in Verbindung setzen. So wird beispielsweise in Bayern ein polizeiliches Führungszeugnis der Belegart "0" verlangt, also ein detailliertes Führungszeugnis, das du nie zu Gesicht bekommen wirst; es wird auf Antrag nur Behörden ausgehändigt (also beispielsweise einem Landgericht).

Wenn du dich im Fachgebiet "Recht" auskennst, ist es natürlich vorteilhaft. Schließlich sollte man die Rechtsterminologie halbwegs beherrschen, wenn man für Gerichte und Notare tätig werden möchte. Es ist aber nicht zwingend notwendig, die staatl. Prüfung mit dem Fachgebiet "Recht" abzuschließen.

Wenn du von einem Gericht "öffentlich bestellt und allgemein beeidigt" bist, kann es zumindest theoretisch vorkommen, dass Richter und Notare deine Dienste als Übersetzer und/oder Dolmetscher in Anspruch nehmen wollen. Da viele Kunden gerne auf beeidigte Übersetzer zurückgreifen - insbesondere wenn es um die Übersetzung von Urkunden, Zeugnissen etc. geht - ist es vorteilhaft, wenn man der Richtigkeit und Vollständigkeit einer Übersetzung einen "offiziellen Touch" verleihen kann. Zu diesem Zweck lassen sich die meisten Übersetzer einen Rundstempel anfertigen, mit dem sie dann belegen können, dass sie öffentl. bestellte und allg. beeidigte Übersetzer sind.

Hoffentlich konnte ich einige deiner Fragen einigermaßen beantworten. Ich bin selbst noch Anfänger auf diesem Gebiet, aber ich denke dass die erfahrenen Kolleginnen und Kollegen, die diesen Beitrag lesen, sich melden werden, falls ich an irgendeiner Stelle Unsinn geschieben habe. 8O

Viele Grüße
Christian

PS: Zu diesem Thema findest du auch hier einige Informationen:
http://www.fernstudenten.de/viewtopic.p ... beeidigung

Verfasst: 02.08.05 13:56
von pinkpanther
Hallo Sissi, hallo Christian,

jetzt möchte ich doch meinen (hessischen) Senf auch noch dazugeben. 8)

Bevor du einen Antrag auf Beeidigung stellst, solltest du herausfinden, welches Landgericht in deinem Bundesland für dich bzw. deinen Wohnsitz zuständig ist. In Bayern ist es für alle Nicht-Bayern automatisch das Landgericht München I.
Außerdem solltest du ein Formblatt o.ä. anfordern - sofern es eines gibt -, aus dem hervorgeht, welche Anforderungen du erfüllen mußt, um zugelassen, d.h. beeidigt zu werden.
Wie Christian schon sagte, wird das in jedem Bundesland unterschiedlich gehandhabt.

Bei mir war die Frage der Zuständigkeit kein Problem - das Wiesbadener Landgericht bot sich an, weil ich in Wiesbaden wohne.
Ich habe dann einen Antrag an den Präsidenten des Wiesbadener Landgerichts auf Ermächtigung (= Beeidigung auf hessisch) abgeschickt, eine Weile gewartet, dann kam eine Zahlungsaufforderung; nachdem ich die Überweisung getätigt hatte, dauerte es noch mal eine Weile, dann bekam ich einen Brief mit Angabe eines Termins, zu dem ich mich im Wiesbadener Landgericht einfinden sollte.
Dort hat mich dann der Vizepräsident (der Präsident war wohl an dem Tag nicht da) über meine Pflichten und all das aufgeklärt, mich unterschreiben lassen - und das war's.
Eine richtige Urkunde gibt's in Hessen nicht, sondern nur das Protokoll der Ermächtigung, in dem z.B. steht, daß du über deine Rechte und Pflichten als Übersetzer/in für die Gerichte/Behörden/Notare o.ä. unterrichtet wurdest.

In Bayern lief es anfangs ähnlich: ich habe einen Antrag auf Beeidigung an die Präsidentin des Landgerichts München I geschickt. Nach einer Weile (es ging schneller als in Hessen, da dem ganzen Prozedere keine Zahlungsaufforderung vorausging) bekam ich einen Brief, der mir mitteilte, daß ich mich an einem Vormittag zwischen 9.00 und 10.00 Uhr im Landgericht München I einfinden und dort die fällige Gebühr (€ 75,--, glaube ich) an der Gerichtskasse entrichten solle.
Insgesamt lief es dann viel förmlicher ab. Außer mir war noch eine Dolmetscherin da, die das Gleiche vorhatte wie ich. Wir wurden nach einer kurzen Wartezeit ins Zimmer des Vizepräsidenten gebracht, der uns kurz über Rechte und Pflichten informierte, dann durften wir die Hand heben und schwören und erhielten zu guter Letzt dann unsere Bestallungsurkunde ausgehändigt.
Die macht sich übrigens sehr gut, kann man nur sagen! :wink:

[Das war jetzt vielleicht auch für dich interessant, Christian. :D]

Auch in Hessen wird übrigens das Führungszeugnis der Belegart "0" zur Vorlage bei Behörden verlangt. Das solltest du in der Regel bei deinem Einwohnermeldeamt bekommen, bei mir war das jedenfalls kein Problem. Ich bin einfach hingegangen, habe die fällige Gebühr gezahlt, dann wurde der Antrag direkt per Fax an die zuständige Behörde (in Bonn oder Berlin, ich weiß es nicht mehr) weitergeleitet und dann wiederum von dort aus an die als Empfänger angegebene Behörde übermittelt.
Das soll einfach dazu dienen, sicherzustellen, daß du keinen Dreck am Stecken hast, denn die nehmen ja nicht jeden. :wink:

Für eine Ermächtigung als Übersetzerin in Hessen mußt du übrigens auch in Hessen deinen ständigen Wohnsitz haben und auch hier wird zwischen Übersetzer und Dolmetscher unterschieden. Eine zusätzliche Prüfung ist in Hessen nicht erforderlich, wenn du das staatliche Abschlußzeugnis z.B. von Karlsruhe vorlegst, sollte das reichen (außer evtl. zusätzlich vorhandenen Abschlüssen/Zeugnissen eben).

Christians Hinweis darauf, daß du dich im Fachgebiet "Recht" wenigstens ein bißchen auskennen solltest, kann ich nur unterstreichen; schließlich läßt du dich ja beeidigen/ermächtigen, um später vor allem Texte aus diesem Bereich zu übersetzen und deine Übersetzung dann zu beglaubigen. Wobei es natürlich, wie du wohl schon weißt, auch andere Einsatzmöglichkeiten gibt, beispielsweise wenn jemand beglaubigte Zeugnisübersetzungen braucht und damit an dich herantritt.
Und wie ich schon in einem anderen Beitrag erwähnt habe, ist es nie verkehrt, als Übersetzer gerade in Anbetracht des doch übervollen Marktes jede kleine, geeignete Zusatzqualifikation "mitzunehmen", die sich bietet - alles, was dich von deinen Konkurrenten abhebt, macht dich etwas "größer". 8)

Was den Rundstempel angeht, hier ein Tip: Laß dich, wenn du mal so weit bist, nicht von den Preisen abschrecken; ein guter Stempel kostet schon mal um die € 50,--. Die solltest du dann allerdings auch investieren, denn erstens kommt es dann ohnehin fast nicht mehr darauf an, ob es nun € 50,-- mehr oder weniger waren, die du investiert hast, und zweitens wirft es ein schlechtes Licht auf dich, wenn du zwar die tollste Qualifikation und einen solchen Stempel hast, man diesem aber ansieht, daß es sich um was "Billiges" handelt.
Und es macht sich tatsächlich gut! Ich habe meine(n) Stempel jetzt schon ein paarmal einsetzen können und die Leute, die das Ganze vorher nicht so kannten, waren beeindruckt, wie "offiziell" das hinterher ausschaut, wie Christian sehr treffend sagte. :wink:
Auch bezüglich des Stempels gibt es übrigens - wiederum länderbezogen - Vorschriften, wie dieser genau auszusehen hat. Aber das erfährst du dann bei der Beeidigung/Ermächtigung/wasauchimmer, die sagen dir das entweder oder geben dir ein Formblatt mit.

So, ich hoffe, daß auch ich dir ein bißchen helfen konnte und wünsche dir natürlich viel Spaß, viel Durchhaltevermögen und alles Gute für das angestrebte AKAD-Studium und deine weiteren Vorhaben!

@Christian:

Ich bin kaum erfahrener als du, außer daß ich die ganzen Formalitäten schon eine Weile hinter mir habe und meine Zusatzqualifikation schon mal einsetzen konnte. Irgendwelchen "Unsinn", wie du es genannt hast, konnte ich in deinem Beitrag aber nicht entdecken.
Wobei ich, wie gesagt, kaum mehr Erfahrung vorzuweisen habe als du, höchstens den besagten zeitlichen Vorsprung. :wink:

Liebe Grüße
Judith

Verfasst: 02.08.05 14:17
von -Christian-
Hallo Judith,

vielen Dank für deine ergänzenden Hinweise, die auch für mich höchst interessant sind. Bin mal gespannt, wann ich Post aus Bayern bekomme. :D Dass man dort schon vormittags vorstellig werden muss, bedeutet für mich dann wohl eine zusätzliche Übernachtung in München. Ich wäre sonst in aller Herrgottsfrühe nach München geflogen und dann anschließend nach der Beeidigung wieder zurück nach Berlin gereist. Hm... könnte knapp werden. Na ja, mal abwarten.


@Sissi: Falls du vorhast, dich in Berlin beeidigen zu lassen, musst du - falls du (noch) nicht selbständig bist - eine Freistellungsbescheinigung deines Arbeitgebers vorlegen, aus der eindeutig hervorgeht, dass du jederzeit für Berliner Gerichte und Notare zur Verfügung stehst. Diese Bescheinigung wird deshalb verlangt, da du ja nicht nur als Übersetzer, sondern auch als Dolmetscher beereidigt wirst, und als Dolmetscher kann es vorkommen, dass du während deiner normalen Arbeitszeit beim Gericht antanzen musst, um beispielsweise bei einer Hauptverhandlung zu dolmetschen. Mir hat man eine solche Freistellungsbescheinigung nicht gegeben (kann ich ja auch irgendwie nachvollziehen), daher kommt für mich als Berliner eine Beeidigung in Berlin leider nicht in Betracht. Wie sagt man so treffend? Shit happens! 8O

Viele Grüße
Christian

Verfasst: 02.08.05 14:45
von -Christian-
Hallo, ich bin es noch einmal. Dass man als Gerichtsdolmetscher auch etwas vom Dolmetschen verstehen sollte, belegt die folgende kleine Geschichte: Kaiserslautern: Richter wechselt überforderte Dolmetscherin gegen sprachkundigen Zuschauer aus

Da hat man es doch als Übersetzer viel besser! :wink:

Viele Grüße
Christian

Der o. a. Artikel erschien übrigen am 22.07.2005 in der Süddeutschen Zeitung.

Verfasst: 20.08.05 01:14
von -Christian-
Gerichtsdolmetscher/-innen haben es wirklich nicht leicht:

Berlin: Angeklagte verprügelt Dolmetscherin mit Einkaufstüte

Gerichtsdolmetscher leben nicht ungefährlich. Gelegentlich werden sie von Angeklagten bedroht und unter Druck gesetzt. Tätliche Angriffe sind jedoch selten. Just ein solcher Fall ereignete sich aber jetzt vor dem Landgericht Berlin-Moabit. Die Berliner Zeitung schreibt:

Eine 48 Jahre alte Sekretärin, gebürtige Russin und angeklagt wegen einer Beleidigung, hatte plötzlich mitten in der Gerichtsverhandlung mit einer Plastiktüte aus einem Lebensmitteldiscounter auf die Dolmetscherin eingeschlagen. Die Frau war sehr erbost. Weil die Dolmetscherin angeblich kein reines Russisch sprach, „sondern so einen Akzent hatte, dass ich nichts verstand“, wie sie später wenig schuldbewusst dem Richter erklärte.

Die Attacke wird für die cholerische Angeklagte Folgen haben, nämlich einen weiteren Prozess – wegen „gefährlicher Körperverletzung“.


http://www.uebersetzerportal.de/nachric ... 08-15.html

Viele Grüße
Christian

Verfasst: 20.08.05 01:34
von -Christian-
Hallo allerseits!

Glücklicherweise wird man als Dolmetscher/-in nicht jeden Tag mit Aldi-Tüten vermöbelt (siehe mein Beitrag oben). :D Wer ernsthaft in Erwägung zieht, vor Gerichten zu dolmetschen, sollte sich das folgende Seminar nicht entgehen lassen:

Dolmetschen in Strafsachen (Kriminalgericht): Tipps – Erfahrungen

Mittwoch, den 26.10.2005 19:00 - 21:00 Uhr
in der BDÜ-Geschäftsstelle am Kurfürstendamm 170, 10707 Berlin.
Dozentin: Renate Aßmus

Renate Aßmus ist Diplom-Übersetzerin für Englisch und Spanisch und wurde an der Universität Mainz (Germersheim) ausgebildet. Seit 1983 ist sie beeidigte Dolmetscherin für die Berliner Gerichte und Notare und bringt daher große Erfahrung für diesen Vortrag mit. Außerdem ist sie als Konferenzdolmetscherin tätig (Politik, Umwelt, Frauen, Dritte Welt, IT etc). Renate Aßmus ist BDÜ-Mitglied.

Inhalt/Seminarbeschreibung:

Sie möchten gern im Kriminalgericht dolmetschen und wissen nicht, was auf Sie zu kommt? Erfahrungen aus der Praxis und Tipps aus dem Alltag.
Was passiert in der Hauptverhandlung? Wie kann ich mich vorbereiten? Bekomme ich eine Anklageschrift/Strafbefehl? Wo setze ich mich hin? Was mache ich, wenn mich Anwälte kritisieren? Was und wie wird gedolmetscht (konsekutiv / simultan / Flüsterdolmetschen)?
Diese und viele andere Frage werde ich in meinem Referat behandeln und anhand von praktischen Beispielen zeigen, wie man mit den verschiedenen Problemen umgehen kann.
Interessierten Teilnehmern bietet Frau Aßmus an, sie ins Gericht zu begleiten, um Erfahrungen zu sammeln. Rufen Sie sie bitte an, um einen Termin zu vereinbaren.

...

Weitere Informationen gibt es hier.

Viele Grüße
Christian

Verfasst: 15.10.05 18:39
von -Christian-
Und schon wieder gibt es einen Beweis dafür, dass man als Gerichtsdolmetscher gefährlich lebt:
TV-Anwalt rettet Dolmetscherin

Ein Angeklagter attackierte seine Dolmetscherin mit einem Nagel am Landgericht München. Der aus dem Fernsehen bekannte Anwalt Sewarion Kirkitadse schlug dem Mann die Waffe aus der Hand.
Der Artikel stammt aus der Süddeutschen Zeitung und steht hier online zur Verfügung.

Gruß
Christian