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Moeglichkeiten fuer Uebersetzer Praxiserfahrung zu sammeln
Verfasst: 07.02.05 14:48
von Alexandra
Hallo,
ich habe vor kurzem erfahren, dass es in Deutschland eine Organisation von angeschlossenen Uebersetzerbueros gibt, die angehenden Uebersetzern die Moeglichkeit bieten, durch kurze oder laengerfristige Praktika Einblicke in den praktischen Berufsalltag des Uebersetzer-Geschaeftes zu geben. Hier gibt es die Moeglichkeit direkt bei Projekten mitzuarbeiten sowie die komplette Abwicklung von professionellen Uebersetzungsauftraegen kennenzulernen.
Die Organisation heisst Ueersetzungsdienste: QSD Qualitätssprachen-dienste Deutschland und verschiedene Uebersetzungsbueros auf, die sich zusammengeschlossen haben, um Berufseinsteigern, die noch wenig Erfahrung im Bereich "Professionelles Uebersetzen" haben, eine Chance zu geben und mit professionellen Uebersetzern zusammenzuarbeiten- dies ist vielleicht fuer diejenigen interessant, die planen sich frueher oder spaeter selbstaendig zu machen und denen noch die berufliche Erfahrung und Praxis fehlt.
Die Webseite lautet:
www.qsd.de
Gruss,
Alexandra
Praxiserfahrung
Verfasst: 07.02.05 19:54
von Reinold Skrabal
Hallo Alexandra,
liebe Forumsteilnehmer,
Erfahrungen sammeln ist das A und O in jedem Beruf, auch bei den ÜbersetzerInnen, stößt aber aus juristischen Gründen auf erhebliche Bedenken, denn ein Ü-Büro bzw. ein öffentl. best. und beeidigter Übersetzer darf einem Ü-Praktikanten keine gerichtlichen Unterlagen zugänglich machen, das verstößt in krasser Weise gegen die Geheimhaltungspflicht! Aber auch Industriekunden haben ein Recht auf vertrauliche Behandlung ihrer Aufträge. Die Bekanntgabe von Namen und Sachverhalten lässt sich jedoch einem Praktikaten gegenüber schlecht ausschließen, wenn ich mit ihm - oder ihr - Fachtexte bespreche und gemeinsam eine Übersetzung erarbeite.
Ich habe mir mal die Website der QSD und eines darin angegebenen Ü-Dienstes angesehen. Da steht unmittelbar neben dem Qualitätsmanagement-Siegel des auditierenden Unternehmens (TÜV) und der Angabe ISO 9001 der Vermerk: Alle Amts- und Staatssprachen!
Da wird also dem Kunden (und Laien) suggeriert, dass ein nach DIN EN ISO 9001:2000 auditiertes, also Qualitätsmanagement-geprüftes Unternehmen, hervorragende Übersetzungen in allen Sprachen anzubieten in der Lage ist.
Als QM-Sachverständiger muss ich dazu sagen, dass dies pure Augenwischerei ist, denn die besagte ISO-Norm ist ein reines Managementverfahren, das mit der eigentlichen Qualität der Übersetzungen (und auf d i e kommt es an) nur ganz am Rande zu tun hat! Es betrifft lediglich die organisatorische Seite der gesamten Auftragsabwicklung und die Schaffung der Voraussetzungen für die ordnungsgemäße Erledigung eines Übersetzungs- oder Dolmetschauftrags, hat aber mit der Kernfrage der Qualität (sprich Richtigkeit) der sprachlichen Dienstleistung nichts zu tun. Dies wird aber mehr oder weniger suggeriert. Könnte es sein, dass hier Mitglieder in erster Linie deshalb gesucht werden, um erfolgreich nicht gerade billige QM-Auditierungen an den Mann bzw. an die Frau zu bringen?
Ich habe in der Industrie Dutzende von Auditierungsverfahren mitgemacht und weiß, wovon ich spreche und auf was es ankommt. Was in der produzierenden Industrie äußerst sinnvoll ist, verliert im Dienstleistungsbereich meist die Wirkung. Auch Anwaltskanzleien lassen sich inzwischen nach ISO 9001 auditieren. Wenn ich aber einen Anwalt benötige, dann muss er als FACHMANN gut sein. In welchem Winkel er die ZPO aus dem Regal nimmt und nach welchem System er die Honorarrechnungen erstellt, ist völlig drittrangig und interessiert niemanden. Ich erwarte von ihm nur, dass er mich glänzend vertritt und mir zu meinem Recht verhilft. Das Gleiche gilt sinngemäß für die Sprachmittler!
Viele Grüße
Reinold Skrabal
Qualitätsmanager und Umweltbetriebsprüfer (Univ. Augsburg)
Noch eine Frage an Herrn Skrabal
Verfasst: 07.02.05 20:51
von Alexandra
Hallo Herr Skrabal,
da ja die "Praxiserfahrung" so viel wert ist, welchen Weg wuerden Sie denn angehenden oder noch unerfahrenen Uebersetzern, die entweder noch in der Ausbildung sind oder diese gerade abgeschlossen haben, vor- schlagen, wenn ein Praktikum bei einer Uebersetzungsagentur aus juristischen Gruenden bedenklich erscheint. Welche Alternativen gibt es denn gerade fuer Fernstudenten der AKAD, die zwar meistens Vollzeit arbeiten doch nicht immer im sprachlichen Bereich, wie dies in diesem Forum immer wieder zu lesen ist und dennoch sich zu einem professionellen Uebersetzer entwicklen moechten.
Gerade unter dem Aspekt, dass ein "Anfaenger im Uebersetzen" eine professionelle Handhabung der Geschaeftsabwicklung eines Uebersetzerauftrages weder bei dem AKAD Fernstudium Studium auch nur in Ansaetzen mal durchgesprochen wird. Neben der sprachlichen Fehlern koennen doch auch gerade in diesem Bereich Fehler gemacht werden, einfach aus Unwissenheit heraus, die jedoch aeusserst image- und marktschaedigend sein koennen und die berufliche Sprachkarriere zerstoeren, bevor sie ueberhaupt richtigangefangen hat.
Freue mich ueber Ihren Kommentar!
Viele Gruesse
Alexandra
Sammeln von Praxiserfahrung
Verfasst: 08.02.05 06:34
von Reinold Skrabal
Hallo Alexandra,
liebe Forumsteilnehmer,
da sich Übersetzer und Dolmetscher in der heutigen Zeit immer mehr zu Allround-Dienstleistern entwickeln und nach Möglichkeit mehrere Geschäftsfelder besetzen sollen, ist die intensive Schulung des Nachwuchses von Ausschlag gebender Bedeutung, da nach erfolgreich abgeschlossener Ausbildung der nächste, nicht weniger wichtige Schritt der praktischen Berufsausübung ansteht.
Für angehende KollegInnen veranstalte ich deshalb jährlich in Esslingen bei Stuttgart in den Räumen unseres Verbandes zu erschwinglichen Teilnahmegebühren ein Tages-Fachseminar (samstags, das nächste Mal wieder im Oktober 2005), in dem das Berufsbild systematisch und vertieft besprochen, viele Tipps gegeben und wertvolles Hintergrundwissen aus der Praxis vermittelt werden und nach Benchmarkingart aufgezeigt wird, wie des die etablierten Profis machen.
Seminarinhalt: Die systematische Planung der Selbständigkeit - Gründungskosten und finanzielle Planung - Investitionen - Anlaufzeiten - Sprachen- und Fachgebietswahl - Hilfsmittel - Vokabelverwaltung - Beantragung der Umsatzsteuer-Identnummer - Haftungsfragen - ISO-Norm 9001 und DIN 2345 - Hinweise zur Ausführung von Übersetzungen und von Ü-Aufträgen - Vorbereitung auf Dolmetscheinsätze (Gerichte und freie Wirtschaft) - Das Auftragsverhalten der Betriebe - die korrekte Abfassung von Rechnungen (Gerichte, Polizei, Industrie) - gesetzliche Honorarregelungen kontra Rahmenvereinbarungen mit der Justiz - die Berechnung unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade nach dem JVEG (dazu neueste Urteile der Obergerichte, das letzte von Dez. 2004) - lohnt sich Werbung (in welcher Form)? - die Beeidigungspraxis der Gerichte - Zusammenarbeit mit Ü-Büros und KollegInnen (worauf dabei zu achten ist) - und vieles andere mehr, in lebhafter Diskussion, mit Unterlagen (z.B. Rechnungsmuster, Fachliteraturhinweise), unter Mitarbeit einer hoch praxiserfahrenen Kollegin (Frau Dipl.-Dolm. Barbara Kirchner).
Die TeilnehmerInnen erhalten zusätzliche Insidertipps, die sie als Praktikanten in einem Ü-Büro aus verständlichen Gründen nie bekommen würden. Beantwortung von Fragen, Erfahrungsaustausch, ...
Für KollegInnen, die sich systematisch in die deutsche Gerichts- und Behördenterminologie einarbeiten wollen, veranstalte ich eine spezielle Schulung (mit Fachzertifikat). Die TeilnehmerInnen erhalten von mir Gerichts- und Behördenunterlagen mit geschwärzten Namen und Aktenzeichen aus dem Straf-, Zivil- und Verwaltungsrecht, ferner Vertrags- und Urkundenmuster. Die erste Kollegin (staatl. gepr. Übers. Englisch), die diese Prüfung (Heimprüfung!) absolviert, sitzt in diesen Tagen über ihren 200 Prüfungsfragen (Grüße nach Wiesbaden, viel Erfolg!). Mitunterzeichner des Fachzertifikats ist übrigens ein waschechter Prof. Dr. jur., denn schließlich muss das Zertifikat Außenwirkung auf Gerichte, Behörden und Kunden aller Art haben und kann auch auf der eigenen Website werblich gut dargestellt werden.
Tja, und was biete ich sonst noch für Seminare an? Schauen Sie doch mal mein Programm unter
www.reinoldskrabal.de an. Natürlich muss ich als Fremdsprachen-Kaufmann für dieses Know-how und den erheblichen Zeitaufwand ein angemessenes Honorar verlangen (honni soit qui mal y pense - ein Schelm, der Arges dabei denkt!).
Weitere Fragen beantworte ich gerne.
Viele Grüße
Reinold Skrabal
Verfasst: 08.02.05 21:42
von Alexandra
Hallo Herr Skrabal,
na vielleicht klappt es ja dann im Oktober diesen Jahres, wenn nicht wiede irgendeine Konferenz dazwischen kommt....
Viele Gruesse aus London,
Alexandra
Verfasst: 03.03.05 17:37
von Gast
Hallo zusammen,
leider erledigt sich damit für mich nicht die Frage der beruflichen Praxis, wie vorher schon festgestellt. Falls ich neben dem Fernstudium Vollzeit arbeite, und zwar nicht im Sprachenbereich, wie bekomme ich dann meine ersten Ü-Erfahrungen?
Obwohl so ein Seminar [wie das von Ihnen erwähnte] natürlich in der Organisation sehr hilfreich sein kann, denke ich mir, es ist zur Akquise weitaus hilfreicher, wenn man Erfahrung bei einem Büro o.ä. vorweisen kann. Alleine durch den Titel hat man ja noch keine "Referenzen".
Wie sehen Sie das?
Mit freundlichen Grüßen,
silvia pisciotta
Praxiserfahrung
Verfasst: 03.03.05 20:09
von Reinold Skrabal
Gentile Signora Pisciotta,
die ersten fünf Jahre nach dem Examen gelten als die steinigste Zeit der gesamten Berufslaufbahn, weil in diesem Zeitabschnitt die Grundlagen für Erfolg und Misserfolg gelegt werden.
Und genau in diese Zeit fällt die von Ihnen angesprochene Erfahrungssammlung, die speziell für Sie noch schwieriger und steiniger wird, weil Sie, wie Sie schreiben, nicht im Sprachenbereich arbeiten.
Da wäre zunächst die freiberufliche Arbeit für Ü-Büros. Abgesehen von den schlechten Honoraren nehmen auch die Agenturen nicht jeden Berufsanfänger als freien Mitarbeiter, sondern eher erfahrene KollegInnen.
Auch längere Praktika in Ü-Büros (wenn überhaupt möglich) sind nicht sehr hilfreich. Erwarten Sie bitte nicht, dass Ihnen diese Büros bei der Akquise helfen, denn sie haben anderes zu tun, als ihre eigene Konkurrenz neranzubilden und Profis zu Ihrer privaten Schulung abzustellen. Außerdem hüten sie ihre Kundenkartei wie ihren Augapfel. Wo liegt eigentlich der Vorteil für ein Ü-Büro, Anfänger auszubilden, wenn sie am Markt im Handumdrehen eine Vielzahl Spezialisten mit langjähriger Berufserfahrung greifbar haben? Nur kaufmännisch ahnungslose Zeitgenossen geben solche Tipps!
Und wie lange stellen Sie sich denn ein Praktikum in einem solchen Büro vor? 3 Monate? 1 Jahr? Auch n a c h dieser Zeit haben Sie - entschuldigen Sie meine Offenheit - null Ahnung vom Übersetzen, weil sich die theoretischen Ausbildungsinhalte im FU und an den Unis nur sehr unzureichend mit den Anforderungen der Praxis decken. Eine wirklich gute Übersetzerin werden Sie in zwei oder drei Fachgebieten ohnehin erst in 10 und mehr Jahren.
Diese Sachlage zwingt deshalb von Anfang an zur Akquise, weil sich aus der Arbeit für Ü-Büros keine zufriedenstellende Selbständigkeit aufbauen lässt, es sei denn, Sie sind ein Fan von Sklavenarbeit.
Der Erfolg in diesem Beruf beginnt mit professionellen Einzelschritten schon während der Ausbildung (!) und hängt von wichtigen Faktoren ab, die im Fachseminar ausführlich dargestellt und diskutiert werden, und von einer schonungslosen Analyse der eigenen Vita.
Mit drängender Ungeduld lässt sich dieses Problem nicht lösen.
Viele Grüße
Reinold Skrabal
Praxiserfahrung
Verfasst: 06.03.05 07:11
von Reinold Skrabal
Nachtrag:
Auf der Website eines großen Frankfurter Ü-Büros ist zu lesen:
Praktikantenplätze können wir leider nicht anbieten.
An freiberuflichen Mitarbeitern sind wir interessiert, wenn sie fundierte Fachkenntnisse in den Fachbereichen ... und eine mindestens dreijährige Ü-Erfahrung (anspruchsvolle Texte) haben.
Das Büro berechnet seinen Kunden für die gängigen europ. Sprachen (E-F-S-I) 1.20 Euro pro Zeile, ohne Aufschlag für schwierige Texte). Der/die Ü erhält davon höchstens -.60 / -.70 Euro. Das rechnet sich auf die Dauer nicht, es sei denn, die Ü-Tätigkeit wird zunächst nebenberuflich ausgeübt, um Erfahrungen zu sammeln. Eine bestehende Berufstätigkeit gleich welcher Art sollte man deshalb also keinesfalls aufgeben.
Ich habe es ca. 5 Jahre lang ebenso gemacht und dabei wertvolle Erfahrungen gesammelt, speziell in bisher noch nicht abgedeckten Bereichen.
Reinold Skrabal
Verfasst: 09.03.05 18:52
von Gast
Molto gentile Signore Skrabal,
Allora! Es ist, wie ich es mir gedacht habe. Entweder man fängt nebenbei an, ohne auf das Geld achten zu müssen [...und macht die Ausbildung neben dem Vollzeitjob dann morgens um 2-5?

]; oder man versucht es mit Ausbildung und darauf folgender harter Akquise direkt nach der Prüfung; oder man läßt sich (doch) wieder versklaven...
Das hört sich vielleicht etwas übertrieben an, sicherlich gibt es Möglichkeiten, die Ausbildung mit einem (bestehenden) Teilzeitjob zu verbinden. Machen ja viele Studis. Oder man hat das Glück und die Zeit, einen Teilzeitjob fürs Geld, einige Kontakte für kleine Aufträge und dann noch genügend Zeit für den Rest zu haben....
Ich für meinen Teil fände es schwierig, mich neu zu organisieren. (Allerdings habe ich schon übersetzt und bin nicht *ganz* ohne Erfahrung, leider ist das einige Jahre her.)
Wieso frage ich das eigentlich.... Ich spiele mit dem Gedanken, auf meinen Übersetzererfahrungen aufzubauen, die staatliche Prüfung zu machen, und mich danach selbständig zu machen. Allerdings spielt natürlich das liebe Geld an einem Standort wie München doch eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Da ich auch nicht mehr gerade im Studienanfangsalter bin [oje], müßte ich mir das Vorgehen schon genauer überlegen.
Dies nur als Hintergrund...
Herzlichen Dank trotzdem für Ihre Antwort und viele Grüße
Silvia Pisciotta
PS: wider aller Erwartung bin ich leider keine Italienisch-Muttersprachlerin

Verfasst: 10.03.05 08:12
von Irmgard Wildangel
Hallo Silvia,
ich finde deinen Beitrag sehr realitätsnah. Ich denke, dass es den idealen Weg gibt, den man nach Möglichkeit auch so gehen sollte, dass es aber nicht unbedingt jedem möglich ist. Da ich mich grundsätzlich nicht einschüchtern lasse, obwohl ich dazu Grund hätte aufgrund meiner Ausgangssituation, werde ich an meinem Weg hin zur Übersetzerprüfung und zur späteren Ausübung festhalten.
Liebe Silvia, wenn du magst, schreib mir bitte mal eine PN, da ich dich als Forums-Gast nicht per Mail erreichen kann.
LG,
Irmgard